110 km, 3.000 Höhenmeter, das klingt schon verlockend. Blöd nur, dass es nun schon satte 15 Jahre her sind, seit ich das letzte mal einen Marathon oder überhaupt eine Tour dieser Länge gefahren bin.

Aber der Reihe nach.
Als „Kindertrainer“ der Grünen Hölle Freisen wurde ich quasi dazu gezwungen seit März diesen Jahres etwas mehr Zeit auf dem Rad zu verbringen, und damit mir die Kinder nicht davon fahren, dachte ich, schadet etwas Training nicht, kann man ja nebenbei auch ein paar Kilo verlieren. Also meldete ich mich schon im April für die 65km des EKM an. Mit steigender Kilometerzahl auf dem Tacho stieg dann der Ehrgeiz. Reichen etwa 600km Training und ein paar Stunden auf der Rolle für eine Langdistanz? Ach was, klar doch, das wird schon gehen, also meldete ich mich spontan auf die 110 km Langdistanz um. Der Tag kam näher, der Wetterbericht wurde konkreter: Regen die Tage davor und natürlich am Marathontag selbst. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Angemeldet ist angemeldet. Bei der Anmeldung lies das Geräusch der Füße über die vor Nässe triefende Wiese zur Startnummernausgabe nichts Gutes verheißen. Mann, Mann, Mann. 9 Uhr Start: ca. 200 Fahrer, so der Sprecher, machen sich mit mir auf die 110 km. Ich stehe weit hinten im Startblock und einige, sagen wir viele überholen mich auch schon auf den ersten zwei drei Kilometern mit einem Affenzahn. War das wirklich die die 110 km Runde oder doch die 37er?? Ich ließ mich nicht irritieren und fuhr mein Tempo weiter und stelle mich langsam darauf ein, einige Stunden alleine in Wald und Flur zu verbringen. Nach 7 km konnte ich noch mit einem Lachen wieder im Zielbereich vorbeifahren, wo ich von den übrigen Höllenhunden angefeuert wurde. Das gab Mut. Die Strecke wurde allerdings immer schlammiger und nasser. Unglaublich: bergab treten, dass man nicht stehen bleibt?? Wie soll ich da durch kommen. KM 30: Die ersten Zweifel. War das die richtige Entscheidung? Zumal ich die erste Verpflegungsstation bei KM 20 noch hochmotiviert ausgelassen habe. KM 41. Ich frage einen vor mir, ja den hole ich gerade ein, wann die nächste Verpflegungsstation kommt. Der murmelt etwas wie 49. Klasse denke ich, dann habe ich ja schon die Hälfte (ich plane nur bis KM 100, die restlichen 10km gehen irgendwie). An der VP angekommen zunächst mal was essen und Flasche auffüllen. Erste Gedanken kommen, das könnte heute klappen, obwohl das Rad eher nur noch wie ein einziger Matschklumpen aussieht. Aufs Rad und weiter. Mittlerweile ist mir klar, dass ich weit hinten im Feld sein muss. Als sich dann die Strecken wieder kreuzen, kommen einige Kurzstreckenfahrer dazu, die erst um 11 Uhr gestartet sind. Die überholen mich mit einem Affenzahn, was für mich wenig motivierend ist. KM 60: Nur noch 40 KM (ich rechne ja nur bis 100km). Irgendwie quäle ich mich wirklich brutale Anstiege, die teilweise trocken eigentlich nicht fahrbar sind hoch. Und dann ist es so weit. Es dürften so ungefähr 70 km sein: Der Gipfel des Erbeskopf ist erreicht, nur noch die Piste runter und dann die nächste Verpflegungsstelle. Dort unterhält einer aus der Gruppe „Senioren 2“ die Mannschaft damit, zu prahlen, als Motocrosser könne er hier mit 70 km/h auf dem Rad runterfahren. Dann kommt eine Bekannte von ihm an und meint sie habe eine ausgiebige Mittagspause eingelegt weil sie Lust dazu hatte, und sie sei daher erst jetzt hier. Das war mein Zeichen die Flasche zum x-ten Mal aufzufüllen, den gefühlten 20. Müsliriegel zu essen und endlich weiter zu fahren. Dann geschah es auch schon: KM 73 oder so ähnlich: Krampf im rechten Oberschenkel. Die Frage „ Warum habe ich mich bloß angemeldet“ kommt nicht aus dem Kopf. Die gelben Schilder (oder waren es doch die blauen?) mit der Aufschrift 65KM verlocken sehr stark, aber ich entschließe mich, meinen inneren Schweinehund einfach umzubringen. Also weiter auf der Magentafarbenen Route fahren. Bis KM 80 brauche ich um die Krämpfe wieder wegzufahren. Klasse denke ich, das kann ich schaffen bis zum Ende. Ich kann sogar noch mal jemanden einholen bevor ich zu einen weiteren vor mir fahrendem Biker aufschließe. Mit ihm fahre ich knapp 12 KM. Dann merke ich, ich kann schneller. Also tschüss und Gas geben (wenn man das noch so nennen kann). Endlich KM 100: Mein großes Ziel: jetzt sind es nur noch 10 km und erfahrungsgemäß geht es am Schluss ja sicher noch, 2, 3 oder 4 KM nur runter, also nur noch 6KM, so meine Rechnung. SUPER. KM 109: Beine brennen, total durchnässt (ach ja, seit knapp 2,5 Stunden regnet es in Strömen), schlamm überall. Aber anstatt dem Ziel kommt da eine Mega fiese Rampe! Oh nein, da muss ich hoch, teilweise nur noch schiebend. Oben weit und breit nichts von Thalfang zu sehen. Kilometer um Kilometer vergeht, plötzlich wieder auf den ersten Kilometern der Tour: jetzt merke ich, nur noch wenige Meter, und dann ist es da, oder eher die Reste davon: der Start und Zielbereich. Denn es wird schon ein wenig abgebaut. Ziemlich fertig aber absolut zufrieden sehe ich nach dem Zielstrich meine Fahrzeit: 8:41h. Klasse! denke ich. Und das schöne ist, es sind noch Fahrer hinter mir auf der Strecke. Ein unglaubliches Gefühl, bei dem Wetter und Schlamm 110 oder 116?? KM geschafft zu haben und das sogar ohne Sturz! Mein nächster Gedanke: Wann ist der nächste Marathon, zu dem ich mich anmelden kann?

Karsten M.