Nach wochenlangem Fremdfegen und Mähen ist auch zuhause endlich wieder Kultur gemacht. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit wurde das heimische Punktekonto aufgebessert. Das Höllenfeuer klimmt nur noch so vor sich hin – wird aber prompt neu entfacht.

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Grund ist eine simple Nachricht von Jupp – „Schuppenaufräumen ab 18 Uhr, später Festlegen der Rennstrategie fürs 6h-Rennen“. Die Aussicht auf das während der vielen Höllenabende liebgewonnene Feierabendbierchen tut das ihre dazu …

Ein paar Wochen zuvor – nachdem sogar dem Autoreifen anstatt des Bikegummis im Wald die Luft ausging – reifte auf der Bank im schummrigen Licht des Rathausplatzes beim gegenseitigen Leidklagen der Gedanke an pures Racing. Le Mans-Start und Motorsportclub – das gehört zusammen – also 3 Teams für die Höllenhunde zum 6h Rennen an der Saarschleife melden. Schließlich haben wir mit Jupp die Motorsportikone vergangener Tage schlecht hin.

Rennsonntagmorgen lasse ich mir mit dem Einpacken und Verladen der Räder extra viel Zeit – möchte Jupp und Snison beim Aufbau der Teamarea ja nicht im Wege stehen. Den Gedanken hatten die beiden wohl auch, denn im Schneckentempo laufe ich auf Jupps Renntruck auf – wenn der auf dem Bike so lahm fährt wie mit dem Auto wird das heute aber mal sowas von entspannt. Zusammen mit Peter starten wir als Höllenhunde 2 in der Masters-Kategorie – ich rede mir schon die ganze Zeit ein, dass das auf keinen Fall die AH der Mountainbiker ist.

9:35 Uhr – Teambesprechung bei den Höllenhunden – wer fährt den Start – wer hält wem das Rad – wer wechselt wann auf wen.

9:50 Uhr – 6 Höllenhunde fahren sich warm, einer steht zum Radhalten bereit, die anderen 5 futtern Kuchen – keiner hat nix verstanden – egal – soll ein schöner Tag werden.

Jupp der einzige echte Motorsportler muss zum unplanmäßigen Boxenstopp – Peter nutzt die Chance knallhart aus und stellt sich in den Startblock – ich darf den Radhalter spielen. Der Franzose neben mir ist offensichtlich nicht aus Le Mans und a oublié son assistant. Kollegial wie ich bin biete ich ihm meine Dienste an, hab ja noch eine Hand frei.

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10 Uhr – Start – alle sprinten Richtung Räder. Peters Bike schiebe ich mit rechts nach vorne und ziehe mit links das des Franzosen zurück. Peter ist bereits weg, der Franzose bedankt sich artig und braust 19 Sekunden später los…

Stille – die Welt an der Saarschleife ist voller Luft – nur in einigen Hinterreifen will sie wohl nicht bleiben. Schon in der ersten Runde klopft bei vielen der Singletrail an die Felge. Die alte Rennfahrerweisheit kommt wieder zum Tragen – to finish first – first you have to finish – Favoritensterben schon zu Anfang. Der grüne Laubfrosch im Einteiler schleudert sein Gefährt wutentbrannt durch die Gegend. Meinem Knackwürfel gebe ich eine extra Streicheleinheit – Trailrunning ist zwar in Mode –bestens gekleidet auf dem Bock sitzend und nicht schiebend macht aber erwiesenermaßen mehr Spaß.

Vor lauter Enstpanntseinwollen haben wir die obligatorische Besichtigungsrunde sausen lassen – hätten wir aber lieber mal gemacht. Peter spricht von einer harten Nuss – dabei hat er doch immer welche in der Trikottasche – für schlechte Zeiten und der gesunden Fette wegen. Jupp fährt seinen Turn im Nebel, obwohl strahlender Sonnenschein – hat das Antibeschlagdeo auf der Brille vergessen. Auch ich komme gleich zu meinen 3 Lieblingsgenüssen – Atemnot, Muskelschmerz und Sturzrisiko –herrlich.

Die zweite Runde geht bei allen wesentlich besser – die Piste ist mal so was von geil.

Der Streckensprecher ist total fasziniert von unserem Teamnamen, braucht aber etwas ehe er merkt, dass vor Zwei noch Eins kommt und danach gar noch Drei. Andere unterstellen ihm fehlendes Fachwissen – macht nichts – wir hatten bei uns sogar zwei von der Sorte.

imageZwischendurch – keiner gibt es wirklich zu – aber jeder halt schon mal heimlich auf den Zeitenmonitor geschielt. Liegen gar nicht so schlecht. Fünfter Platz – knapp hinter dem Team der Fahrradhilfe – die braucht unser anderes Team auch – unser fahrender Renningenieur Andy sorgt sich um alles – den Lötkolben braucht er an diesem Tag aber nicht.

In meiner dritten Runde überhole ich den BikeAid-Kollegen am Anstieg gespielt lässig und winke ihm kollegial zu. Fahre gleich ein paar Meter raus, habe dafür aber oben an der nächsten Abzweigung neben Sauerstoff- auch Durchblicksmangel. Verdutzt frage ich mich, wieso mir beim Linksabbiegen ein Absperrband im Weg ist. Erst mal nach links und rechts geschaut – hat hoffentlich keiner gesehen – zurücksetzen, umdrehen, das andere links nehmen und wieder lostreten – 19 Sekunden-Vorsprung weniger. Will mit größtmöglichem Abstand an Peter übergeben, mache aber dummerweise gegen Ende der Runde die Erfahrung, dass mein Radcomputer trotz Ecken doch rollt. Letzte kurze steile Rampe aufs Plateau rauf – mein Zustand ist schlimmer als vorhin – der Pedaldruck ist meinem Schuh des Guten wohl zu viel und der klinkt sich kurzerhand aus – vor lauter Hektik das Edge aus der Halterung geschlagen und dem Teil die ganze Rampe runter kullernd nachgeschaut – das gute teure Ding wieder aufgesammelt und einhändig uneingeklickt die holprige Abfahrt runter – sicher 19 Sekunden verloren.

Aus Spaß wird langsam aber sicher Ernst. Peter futtert noch mehr Nüsse als sonst, Jupp zieht schon keine Brille mehr an. Wir sind mittlerweile knapp dritter – warum auch immer – ist wohl ein Spitzenteam aus- oder zurückgefallen. Pech für die Kuh Elsa. Ist uns egal.

imageVierte Runde – es geht mittlerweile um die wesentlichen Dinge. Powergel mitnehmen? Beine einölen oder nicht? Armlinge oder ärmellos? Und vor allem – wieso ist das Team mit der Kuh auf dem Rücken – die brauchen echt Hilfe – eben schneller gefahren als wir, obwohl der eine von denen unrasierte Beine hat und Socken vom Herrenausstatter?

Es entwickelt sich ein tierischer Kampf – Höllenhund gegen Kuhpferd.

Jupps Beine sind kurz vor der Ohnmacht – dennoch hat er seinem Kontrahenten über 19 Sekunden abgenommen – mindestens und GANZ SICHER! Für mich gilt es vorne zu bleiben, die Verfolger schicken ihr schnellstes Pferd auf die Piste. Trete von Beginn an 400 Watt – mindestens – die Lunge leistet den Beinen Gesellschaft – die Strecke fordert in meinem Zustand nun alles. Schade, dass man von der tollen Landschaft nichts sieht. Wenn das Blut in den Augen steht, hat man da einfach keinen Blick. Und dann das. Ich werde überholt und habe plötzlich eine Kuh vor den Augen. Gibt’s doch nicht – kann nicht sein – ich gebe alles um dran zu bleiben – sehe die Chance auf das Podest dahinradeln. Nach dem Wechsel dann die frohe Kunde – Vorsprung nur minimal geschmolzen – der Überholer war vom Team Schappku in der anderen Altersklasse…

Letzter Turn. Platz 3 ist drin – das ist jetzt unsere Mission. Wir haben mittlerweile einen recht beruhigenden Vorsprung auf das Team mit den schlimmen Herrenausstattersocken. Doch Peter bekommt ausgerechnet jetzt Probleme.

In der Piratenabfahrt schlottern diesmal keine Knie – aber Peters Vorderrad. Der Schnellspanner hat wohl Schiss und will sich verdrücken. Passenderweise hat Snison ein paar Runden zuvor das Absperrband ungewollt in die Länge gezogen – also genug Platz für einen kleinen 19-sekündigen Service. Weniger Drehmoment spart eben doch kein Gewicht.

Nach der längeren Schotterpassage geht’s mit viel Schwung in den steilen steinigen Anstieg die Via Appia hoch. Peter hängt direkt am Hinterrad des Vordermanns – mit ordentlich Tempo hochziehen lassen – klingt wie ein Plan – jedoch pure Theorie. Mitten im Berg Vollbremsung – Peter muss auch anhalten – „Kann nimmie“ – na toll – hätte ja was sagen oder an die Seite fahren können. Es gibt besseres, als an einer steilen Rampe mit 300 Puls wieder anfahren zu müssen – jeder Startversuch dauert mindestens 19 Sekunden…die Klickies bekommen nicht so nette Namen.

Letzte Rennrunde – Jupp ist hibbelig ohne Ende, er wäre an der Reihe – sieht sich aber nicht mehr im Stande die Kiste sicher nach Hause zu bringen. Ich erbarme mich, obwohl ich mich letzte Runde ins Delirium gefahren habe. Nur keine Schwäche zeigen. Jupp redet dauernd auf mich ein, es nur ja nicht zu übertreiben, lieber etwas zurücknehmen und keinen Platten riskieren.

Trotz Peters Malheur haben wir genügend Vorsprung. Folge Jupps Empfehlung nur bedingt, ja nicht bummeln, auch die Via Appia hoch wird nicht untertourig gekurbelt – Runde zu Runde scheinen diesem Berg mehr Steine zu wachsen. Vor der Traileinfahrt lasse ich im Gefühl der sicheren Ankunft zwei Franzosen vorbei. Die müssen den Berg hoch geflogen sein – die machen Tempo ohne Ende. Nach kurzer Zeit sehe ich von den beiden nur noch schemenhaft ein orangenes Trikot.

Komme unfallfrei durch die letzten Trails, auch die kleine Steinbrücke mit Holzpalette inmitten des Nichts kann mich nicht mehr erschrecken. Ein letztes Mal an der Wechselzone vorbei – Jupp vollführt einen Freudentanz. Noch einmal den Hügel und die Treppen runter und ab durchs Ziel. Dort steht der orangene Franzose und klatscht mich anerkennend ab. Verhaltener Jubel bei den Höllenhunden – mit 19 Sekunden Rückstand den dritten Platz an die orangenen Franzosen verloren – wenn zwei sich streiten…schade…aber leider geil!!!